Der Riemenfisch in der japanischen Folklore
Riemenfische sind die längsten Knochenfische der Welt und können eine Länge von bis zu 11 Metern erreichen. Ihr ungewöhnliches Aussehen lässt sie wie Wesen aus der Popkultur erscheinen, ähnlich bestimmten Pokémon-Charakteren, obwohl sie echte Tiere sind. Ihre langen, schlanken Körper und die bandähnliche Form verleihen ihnen ein fast drachenartiges Aussehen. Riemenfische haben außerdem einen einzigartigen Kopf mit einem kleinen, nach oben gerichteten Mund und einem langen, peitschenartigen Schwanz, was ihr seltsames Aussehen noch verstärkt.
In Japan wird das seltsame Aussehen des Riemenfisches schon lange mit Tsunamis in Verbindung gebracht. Der Glaube, dass diese Fische vor Tsunamis auftauchen, ist seit Jahrhunderten Teil der japanischen Folklore. Eine alte japanische Geschichte aus dem Jahr 1743 beschreibt eine "Meerjungfrau", die an der Küste der Wakasa-Provinz gesehen wurde, kurz bevor ein Tsunami zuschlug. Es ist jedoch wahrscheinlich, dass diese "Meerjungfrau" tatsächlich ein gestrandeter Riemenfisch war, der den Menschen damals wie ein fantastisches Wesen erschien.
Aberglaube lebt weiter: Ein indonesischer Fischer fängt einen Riemenfisch in seinem Netz und fürchtet sofort eine Katastrophe
Im Jahr 2019 wurde ein Video, in dem ein indonesischer Fischer einen Riemenfisch fing, viral und sorgte für Besorgnis in den sozialen Medien. Viele Menschen, einschließlich des Fischers, glaubten, dass der Fisch ein Zeichen für ein bevorstehendes Naturereignis war. Diese Reaktion zeigt, wie tief der Glaube an Riemenfische als Unglücksboten in Südostasien verwurzelt ist.
Das Rätsel des seltsamen Tierverhaltens vor Katastrophen
So wurden 2010 eine Reihe von Riemenfischen an der Küste der japanischen Präfektur Fukushima nur eine Woche vor dem Großen Erdbeben von Japan gesichtet. Ebenso strandeten wenige Tage vor dem Beben 54 Wale an der Küste von Ibaraki. Auch in älteren Aufzeichnungen über Erdbeben findet man Berichte über seltsames Verhalten von Tieren. Zum Beispiel verhielten sich Karpfen vor dem Großen Ansei-Erdbeben von 1855 – normalerweise nachtaktive Tiere – den ganzen Tag über ungewöhnlich.
Wissenschaftliche Untersuchungen des Tierverhaltens und Erdbeben
Die Verbindung zwischen Tierverhalten und Erdbeben wurde nach dem Erdbeben von 2011 in Japan von Wissenschaftlern untersucht. Forscher der Tokai-Universität und der Universität Shizuoka begannen, dieses Phänomen zu erforschen. Ihre Forschung, die 2019 im Bulletin of the Seismological Society of America veröffentlicht wurde, untersuchte 336 Berichte über seltene Tiefseefischarten, einschließlich Riemenfischen, die mit Erdbeben und Tsunamis in Verbindung gebracht wurden.
Die Forscher prüften Aufzeichnungen aus Zeitungen, wissenschaftlichen Artikeln und marinen Museen seit 1928 und verglichen diese Berichte mit seismischen Daten des Japanischen Erdbeben-Zentrums. Die Ergebnisse waren unklar. Nur ein Erdbeben, das Erdbeben der Präfektur Niigata Chuetsu-Oki im Jahr 2007, trat innerhalb von 30 Tagen nach einer ungewöhnlichen Sichtung von Riemenfischen auf. Dies lieferte keinen klaren Beweis dafür, dass Riemenfisch-Sichtungen Erdbeben vorhersagen.
Ein Hoffnungsschimmer: Können Meerestiere Erdbeben spüren?
Trotz des Fehlens eindeutiger Beweise bleibt der Glaube an ungewöhnliches Tierverhalten als Warnsignal für Erdbeben stark. Eine Umfrage unter japanischen Studenten im Jahr 2019 zeigte, dass viele der Studenten ungewöhnliches Tierverhalten als ein klareres Zeichen für ein bevorstehendes Erdbeben betrachteten als sogar elektrische Störungen. Dies deutet darauf hin, dass der Glaube an das Verhalten von Tieren als Vorbote von Erdbeben weit verbreitet ist, selbst unter denen mit wissenschaftlicher Ausbildung.
Es könnte also doch etwas Wahres an diesem Glauben liegen. Vor einem Erdbeben können Gase und elektromagnetische Wellen vom Meeresboden Tiefseetiere wie Riemenfische stören, wodurch sie aus den Tiefen, in denen sie normalerweise leben, näher an die Oberfläche schwimmen. Wenn dies der Fall ist, könnte das Auftauchen von Riemenfischen in der Nähe der Küste nicht nur ein Aberglaube sein, sondern ein Zeichen für seismische Aktivität.
Könnten Tiefseetiere ein natürliches Frühwarnsystem sein?
Könnten Meerestiere kleine Bewegungen in der Erdkruste spüren? Auch wenn noch nicht bewiesen wurde, dass Riemenfisch-Sichtungen Erdbeben vorhersagen, ist die Idee, dass Tiefseetiere seismische Aktivitäten wahrnehmen können, eine interessante Möglichkeit. Diese Tiere könnten eines Tages ein natürliches Frühwarnsystem für Erdbeben darstellen, doch es bedarf weiterer Forschung, um diese potenzielle Verbindung zu verstehen.
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